Projektbeschreibung
Ausgangssituation
Ein Effekt der demografischen Entwicklung ist, dass das Erfahrungswissen der Beschäftigten die Unternehmen sukzessive verlässt, gleichzeitig wird ein Fachkräftemangel prognostiziert. Um diese Phänomene abzumildern, müssen Unternehmen neue Wege finden, das Wissen im Unternehmen zu halten und vorhandene Potenziale durch Qualifizierung auszuschöpfen. Eine Investition in die Aus‐ und Weiterbildung von lernungewohnten und formal geringqualifizierten Mitarbeitern ist dabei von zentraler Bedeutung.
Digitale Medien haben Arbeitsprozesse nicht nur verändert, sondern stellen ebenso ein großes Potenzial als Lehr‐ und Lernwerkzeug dar. Dies kann idealerweise zu einer Synthese von Arbeiten und Lernen führen. Der Einsatz neuer Medien (E‐Learning) kann zudem einen wichtigen Beitrag zur Erleichterung der Teilhabe von Menschen mit Behinderung an beruflicher Bildung leisten sowie den Wiedereinstieg von Berufsrückkehrern nach Krankheit, Elternzeit oder Erwerbslosigkeit unterstützen
Das Projekt VIA4all
VIA4all zielt auf ein ganzheitliches E‐Learning Konzept aus interaktiven Lernvideos, welches in ein Lernmanagementsystem integriert ist und durch die Bereitstellung virtueller Klassenzimmer die Individualisierung und Flexibilisierung beruflichen Lernens ermöglicht. Im Vorhaben werden die Leitlinien für eine barrierefreie didaktische Umsetzung und Erkenntnisse des „Universal Design for Learning“ berücksichtigt. Mit VIA4all ist ein Ansatz gewählt, der die Visualisierung von Arbeitsprozessen sowie deren Anreicherung mit weiterführenden Informationen (Grafiken, Texte, Videos, Audios, etc.) in den Fokus stellt. Diese gezielte Nutzung innovativer Visualisierungsformen kann einen weitreichenden Beitrag zur Modernisierung von (inklusiven) Aus‐ und Weiterbildungsformaten in der beruflichen Bildung leisten.
Das Angebot wird prototypisch für Beschäftigte in den Bereichen Bau mit Haupt‐ und Nebengewerbe (GrünBau gGmbH), Hauswirtschaft (Hannoversche Werkstätten gGmbH), Landschaftsgartenbau und Berufsfeld Metalltechnik (Mariaberg e.V.) zur Berufsvorbereitung, Aus‐ und Weiterbildung, Berufsrückkehr oder Lernen am Arbeitsplatz umgesetzt. Dabei werden in Kooperation mit allen Projektpartnern Maßnahmen zur optimalen Vorbereitung und nachhaltigen Implementierung konzipiert, erprobt und prozessbegleitend evaluiert.
Eine Besonderheit im Vorhaben ist der Erstellungsprozess der Videos: Die Aufzeichnungen werden mit einem mobilen Eye‐Tracker vorgenommen. Durch eine nachgeschaltete Analyse der Blickbewegungen können beispielsweise schwierige oder aufmerksamkeitsrelevante Arbeitsprozesse identifiziert werden. Die Videoaufnahmen werden methodisch ergänzt durch „Lautes Denken“ und (nachgeschaltete) Experteninterviews. Lautes Denken ist eine Methode, die Einblick in die Gedanken und Absichten der im Arbeitsprozess stehenden Person ermöglicht (vgl. Konrad, 2010). Dabei werden sowohl die mentalen Prozesse der Person während der Arbeit als auch ihr Erfahrungswissen externalisiert (vgl. Konrad, 2010). In den anschließenden Experteninterviews werden die Arbeitsprozesse entlang der Videos systematisch erfasst und beschrieben. Dieses Vorgehen zielt neben dem erweiterten Erkenntnisgewinn auf die Validierung der aus den Blickdaten abgeleiteten Interpretationen (vgl. Rakoczi, 2012).
Das Vorhaben ist im Sinne des „Design-Based Research“ angelegt. Dieses forschungsmethodische Vorgehen fördert neben der Entwicklung wissenschaftlich fundierter Ansätze und Konzepte die Entwicklung motivierender, effektiver und attraktiver E-Learning Angebote, da ein kontinuierlicher Austausch mit den Lernenden erfolgt. Zur methodischen Vorbereitung und Durchführung finden des Weiteren Workshops und Konferenzen mit allen Projektpartnern statt. Für die konkrete Umsetzung sind folgenden Schritte vorgesehen:
Konrad, K. (2010). Lautes Denken. In G. Mey & K. Mruck (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie (S. 476–490). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Rakoczi, G. (2012). Eye Tracking in Forschung und Lehre. Möglichkeiten und Grenzen eines vielversprechenden Erkenntnismittels. In G. Csanyi, F. Reichl & A. Steiner (Hrsg.), Digitale Medien – Werkzeuge für exzellente Forschung und Lehre (S. 87-98). Münster: Waxmann.